Unsere Welt gleicht einem Labyrinth aus Krisen, das viele Menschen orientierungslos zurücklässt. Inmitten der globalen Unsicherheit setzen Entscheidungsträger aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zunehmend auf Kommunikation als scheinbares Allheilmittel. Anstatt substantielle Reformen und Strategien zu entwickeln, verlassen sie sich auf kommunikative Placebos.

Ein Beispiel, das diese Entwicklung verdeutlicht, ist die zu Recht viel gelobte Rede von Robert Habeck über Israel und den Antisemitismus in Deutschland. Sie ist handwerklich einwandfrei und inhaltlich präzise. Habeck trifft den richtigen Ton, aber er tut nicht mehr und nicht weniger als das, was er selbst zu Beginn des Videos ankündigt: Nämlich einen Beitrag zu leisten, die Debatte zu entwirren.

Doch was folgt daraus? Solche Reden thematisieren die Komplexität, reduzieren sie vielleicht und sensibilisieren Teile der Öffentlichkeit. Selbst wenn sie die eigene Blase verlassen, bleibt jedoch die Frage nach konkreten Maßnahmen, die über das gesprochene Wort hinausgehen, offen. Kommunikation sollte in solchen Fällen nicht nur ein Spiegel der Probleme sein, sondern auch ein Fenster zu echtem Wandel.

Die „Flucht in die Kommunikation“ offenbart zunehmend die Unfähigkeit, sich den tatsächlichen Herausforderungen zu stellen. Ohne konkrete Maßnahmen sind auch gut vorgetragene Reden und Präsentationen nur Fassade. Das mag zwar kurzfristig Erfolge suggerieren und Medien und Öffentlichkeit beeindrucken, doch langfristig ist der Schaden größer, da die Diskrepanz zwischen Worten und Taten das Vertrauen in Entscheidungsträger und das politische System untergräbt. Niemand weiß das besser als Habeck, der in den letzten zwei Jahren bereits die Gnadenlosigkeit eines schlechten Erwartungsmanagements in den Medien erfahren hat.

Wir leben in einer Zeit, in der Worten oft mehr Gewicht beigemessen wird als Taten. Semantische Debatten sind bequem, erfordern nur oberflächliche intellektuelle Auseinandersetzung und eigenen sich daher wunder für Social Media. Sie stehen im Kontrast zu tatsächlichen Maßnahmen, deren Wirkung meist erst spät sichtbar wird. Politiker wie Habeck oder auch Friedrich Merz sind in den letzten Monaten zu Spielbällen dieser Dynamik geworden. Man kann froh sein, dass sie sich zunehmend davon lösen und ihre Politik nicht mehr nach den Reflexen der Öffentlichkeit ausrichten. Dieser Lernprozess war für beide lang und schmerzhaft.

Denn was es braucht, sind Führungspersönlichkeiten, die den Mut haben, effektive, manchmal unpopulären Entscheidungen zu treffen und diese ohne Angst vor öffentlicher Empörung voranzutreiben. Nur so lässt sich ein konsistenter politischer Kurs skizzieren und das verlorene Vertrauen der Bevölkerung zurückgewinnen. Ob die Entscheidungen letztlich richtig oder falsch waren, ist die Aufgabe der Historiker zu beurteilen.

Habecks Rede könnte ein Anstoß für eine Gegenbewegung sein, bei der die Kommunikation eine Brücke zu substantiellem Handeln schlägt. Der wahre Test wird sein, ob den Worten nun Taten folgen, die Antisemitismus in Deutschland wirksam bekämpfen und das Versprechen der Staatsräson mit Leben füllen. Im Gespräch mit Paul Ronzheimer im gleichnamigen Podcast formulierte der Publizist Michel Friedman ein konkretes Beispiel: Im Umgang mit der „Letzten Generation“ haben die Strafverfolgungsbehörden in Deutschland bewiesen, dass sie schnell und effektiv handeln können. Der gleiche Maßstab muss nun auch bei antisemitischen Demonstrationen und öffentlichen Hassreden angelegt werden. Es obliegt der Politik, die Behörden entsprechend auszustatten, zu befähigen und die Gesetze so zu verschärfen, dass eine Nulltoleranz-Politik umsetzbar wird. Ein wehrhafter Staat ist die richtige Antwort und die beste Prävention.

Die Welt ist komplex. Daran wird sich nichts ändern. Wir sollten diese Komplexität nicht nur anerkennen, sondern ihr mit konkreten Maßnahmen begegnen, statt uns in wohlklingende Kommunikation zu flüchten.